Kranz (Sepia)

Kranz (Sepia)

Schweren Herzens müssen wir Euch mitteilen, dass wir in diesem Jahr keinen Gedenkmarsch in Remagen für die Toten der Rheinwiesenlager durchführen werden. Uns ist diese Entscheidung sehr schwer gefallen, weil der Marsch über die Jahre für viele von uns ein selbstverständlicher Pflichttermin geworden war. Gerade deswegen kommt die Entscheidung für viele wahrscheinlich überraschend. Um unsere Entscheidung verstehen zu können, muss man ein paar Hintergründe kennen.

Als wir im Jahr 2009 anfingen, die Gedenkmärsche in Remagen zu organisieren, war unser Hauptanliegen, auf die systematische Ermordung von einer Million deutscher Kriegsgefangener durch die Besatzer hinzuweisen. Dieses unglaubliche Nachkriegsverbrechen, das direkt vor unserer Haustür passiert und im öffentlichen Bewusstsein so gut wie nicht vorhanden war, weil es stets verschwiegen oder kleingeredet worden ist, musste thematisiert werden. Es war uns einfach eine Herzensangelegenheit, war aber auch von einem klaren politischen Ziel geprägt.

Menschen, die einen positiven Bezug zu ihrer Heimat besitzen, müssen verstehen, dass in dieser Republik die volksfeindliche Haltung nicht nur das Ergebnis jahrelanger Zersetzungsarbeit der etablierten Parteien , sondern bereits in den Wurzeln dieses Systems zu finden ist.

Dieses System, das angeblich den freiesten und demokratischsten Staat darstellt, den es je auf deutschem Boden gegeben habe, fußt auf einem verlogenen von Besatzerpropaganda geprägten Geschichtsbild. Wer sich dieser Wahrheit nicht bewusst wird, wird nie verstehen, wieso es nicht damit getan sein kann, nur die Regierung auszutauschen, um eine lebenswerte Zukunft für unser Volk zu schaffen.

Die Erinnerung an die Ereignisse in den Rheinwiesenlager war sowohl ein Gedenken an die Männer und Frauen, die durch ihr Opfer das Leben der nachfolgenden Generationen überhaupt erst ermöglicht haben, als auch ein wichtiger Baustein für das politische Verständnis der Nachkriegsordnung in unserem Land und eine der Lektionen, die heimatverbundene Deutsche für die Zukunft zu lernen haben.

Mit dieser Motivation fingen wir an, das Thema zu bearbeiten. Auch wenn die Teilnehmerzahl nie mehr als ein paar hundert Kameraden überschritten hat, wurde die Arbeit an dem Thema überall in Deutschland aufgegriffen. Der Gedenkmarsch in Remagen verfolgte ein klares Ziel, und das äußere Bild, das er ausstrahlte, war immer sauber und diszipliniert. Jedes Jahr im November wirkte es, als würde sich ein besseres, lang untergegangenes Deutschland auf den Straßen Remagens zeigen und der Wahrheit eine Gasse bahnen. Junge und alte Menschen gaben sich die Hand und standen auf gegen eine Mauer des Schweigens und der Ignoranz.

Die aufgeschreckte Reaktion der politisch Herrschenden gab uns recht. Als im Jahr 2012 der Kern des Gedenkbündnisses wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung in Untersuchungshaft genommen wurde, gab es nicht wenige Stimmen, die sagten, dass die politische Motivation hinter diesem staatlichen Übergriff eine Art Selbstschutz des Systems sei, um das Thema wieder aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen. Doch damals ging die Rechnung nicht auf. Die Gedenkmärsche wurden fortgesetzt und die Teilnehmerzahlen wuchsen sogar noch etwas.

Als 2014, nach knapp 2 Jahren Untersuchungshaft, auch die letzten der Inhaftierten wieder auf freiem Fuß waren, lief alles wie gewohnt weiter. Der Gedenkmarsch war nach fünf Jahren eine Art Selbstläufer geworden, ein fester Termin im Kalender des nationalen Widerstandes.

Schon damals sprachen wir darüber, in welcher Form wir das Gedenken fortsetzen wollen. Der eigentliche Dammbruch war vollzogen und zumindest in den Reihen des Widerstandes hatte man ein Bewusstsein schaffen können. Das eigentliche politische Ziel, die Schaffung eines Bausteins mit dem heimatliebende Staatsfeinde an dem Plan für ein neues, besseres Deutschland arbeiten können, war zu diesem Zeitpunkt erreicht.

Was natürlich blieb, war das Gefühl, dass wir aus Respekt für die Toten unseres Volkes ganz unabhängig von politischen Ideen für ein kommendes Deutschland ein Zeichen setzen wollten. Ganz abseits des stillen Gedenkens, das man allein oder in regionalen Gruppen am Volkstrauertag vollzieht, wollten wir weiter einen Anlaufpunkt bieten und mit einem öffentlichen Gedenken die Verbrechen der Besatzer in den Rheinwiesenlager in Erinnerung halten.

Das Gedenken an die Toten des eigenen Volkes ist eigentlich etwas Stilles, etwas Persönliches -und genau dahin wollten wir zurück. Große Mobilisierung und großes Aufrufen, dass Kameradengruppen bitte nach Remagen reisen sollten, wirkten auf uns unwürdig, wenn doch eigentlich jedem heimatbewussten Deutschen klar sein muss, das es ein Teil der eigenen Identität ist, dass man den Toten der eigenen Familie und des eigenen Volkes zu gedenken hat. Sinnsprüche wie „Treue um Treue“ oder „Sie für uns und wir für sie“ sollten einfach das moralische Grundgefühl prägen und nicht zu Phrasen verkommen.

Also verzichteten wir in der Folgezeit auf große Mobilisierung, weil jedem Teilnehmer klar war, dass es im darauffolgenden Jahr im November immer vor dem Volkstrauertag einen festen Termin in Remagen geben würde. Eine Art Lackmustest der eigenen Werte. Eine Veranstaltung ohne besondere Mobilisierung. Eine Veranstaltung mit rein organischem Wachstum. So etwas gab es in den Reihen des Widerstandes schon Jahrzehnte nicht mehr.

Wir waren uns unsicher, ob das Konzept aufgehen würde, weil dafür auch der durchschnittliche Aktivist durch die stets und ständig im Raum stehenden Mobilisierungen für irgendwelche Aktionen mit einer Art anerzogenem Verhalten brechen musste. Aber die Rechnung ging auf. Jahr um Jahr standen über 100 Kameraden in Remagen am Startpunkt für den Gedenkmarsch und hinterließen immer ein vorbildliches Bild.

Die Saat schien aufzugehen. Selbst im Jahr 2020, als die im Raum stehenden Corona Maßnahmen der Herrschenden bis zuletzt Zweifel daran aufkommen ließen, ob man den Gedenkmarsch durchführen könnte, versammelten über 100 Teilnehmer und führten einen würdigen Marsch durch.

Im Jahr 2021 ist die Teilnehmerzahl das erste Mal unter den 100 Teilnehmern geblieben – und das obwohl im Vergleich zum Vorjahr viel weniger Unwägbarkeiten im Raum standen. Wir haben lange darüber nachgedacht, wie wir damit umgehen wollen, denn inhaltlich und vom Ablauf gab es auch 2021 keinerlei Probleme. Trotzdem muss man anerkennen, dass die Wirkung einer im Licht der Öffentlichkeit stattfindenden Veranstaltung auch von der Teilnehmerzahl abhängt. Eine kleine Stadt wie Remagen braucht keine riesigen Teilnehmerzahlen, aber unter ein Minimum von 100 Teilnehmern sollte eine solche Veranstaltung nicht fallen, wenn sie ihre Wirkung nach außen nicht verlieren soll.

Wir standen also an dem Punkt, an dem wir eine Entscheidung treffen mussten. Entweder wir brechen mit dem eigenen Grundsatz und Glauben, dass wir zu einer Gedenkveranstaltungen nicht besonders mobilisieren müssen, weil es für jeden Aktivisten der Region eine Herzensangelegenheit und Selbstverständlichkeit ist am Wochenende des Volkstrauertages den Toten des eigenen Volkes zu gedenken oder wir führen den Gedenkmarsch nicht durch.

Die Entscheidung ist gefallen. Das bedeutet natürlich nicht, dass es im November kein Gedenken für die Toten unseres Volkes und speziell der Toten der Rheinwiesenlager geben wird. Das bleibt für uns und viele andere Aktivisten aus der Region natürlich eine Herzensangelegenheit.

Es gibt in jeder Stadt, jedem Dorf Ehrenmale für die gefallenen Helden unseres Volkes – auch die Rheinwiesenlager gab es abseits der „Goldenen Meile“ von Remagen. Ob Büderich, Rheinberg, Siershahn, Andernach, Wickrath, Sinzig, Diez, Koblenz, Bad Kreuznach, Ludwigshafen-Rheingönheim oder Böhl-Iggelheim, um nur einige zu nennen, überall entlang des Rheins fanden sich die Todeslager der Besatzer.

Wir wissen, dass im November zahlreiche Kameraden und Kameradengruppen den Ehrendienst vollziehen und den Toten unseres Volkes gedenken werden. Ohne Aufruf. Als Befehl des Gewissens. Genau wie wir.

Die Arbeit an dem Thema Rheinwiesenlager ist damit nicht abgeschlossen, aber wir verlagern sie auf ein anderes Feld. Die Arbeit an dem Thema endet erst, wenn ein besseres Deutschland, ein gerechtes Urteil über die Zeit und das Opfer unserer Gefallenen sprechen wird!